"Koula Bewirtet" by James Prineas Stories from "A Village on Kythera"


Koula Bewirtet

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Koula Prineas beugte sich über vier Tiegel und Pfannen, deren Inhalte energisch vor sich hin köchelten und schmorten. Mit ihren stechend blauen Augen musterte sie die Behältnisse, zählte beunruhigt nach. Bohnen, Gemüse, Artischocken und Knoblauchsoße. Im Herd bekam ein Kaninchen allmählich eine knusprige Haut, und auf dem mit Holz befeuerten Ofen im Hof briet Koulas Mann Nikos derweil dutzendweise kleine Fischchen, obendrein thronten auf dem für vier Leute gedeckten Tisch bereits eine riesige Schüssel voll Salat und eine gewaltige Platte mit kaltem gebratenem Gemüse. Koula fragte mich, ob das Essen wohl meiner Meinung nach reichen werde. Solange sie nicht sämtliche Mönche Griechenlands erwarte, dürften wohl alle satt werden, war meine Antwort. Welches der Klöster der Insel sie denn eingeladen habe, wollte ich wissen.
"Der kleine Petros, Nikos' Neffe, kommt zum Mittagessen", erwiderte sie.
"Und wer noch?", hakte ich nach.
"Nur der kleine Petros. Er ist Junggeselle." Sie rührte die Skorthalia zu einer schweren, beinahe ausschließlich aus Knoblauch bestehenden Paste, die zu den gebratenen Fischchen gereicht würde.
"Soviel Essen nur für uns drei und den Neffen von Nikos?"
"Vergiß nicht Sophia", sagte Koula. Kaum, daß sie ihren Namen hörte, schien Koulas bettlägerige Schwägerin für einen Moment von ihrer Taubheit geheilt, begann sie auf ihrem bequemen Sofa im Wohnzimmer vor dem Fernseher zu husten und zu rufen. Koulas Augen schielten über den Rand der vom ständigen Zurechtrücken ganz trüb gewordenen Brille nach oben, wo Gott ihren stummen Hilferuf vielleicht sehen mochte.

Ich wiederum ging hinüber ins andere Zimmer, um die Bestellung der alten Frau entgegenzunehmen.
"Ich glaube, daß mir die Frau von meinem Brüderchen Nikos schon seit einer Woche nichts mehr zum Essen gebracht hat, Dimitri-mou", flüsterte sie mir vernehmlich ins Ohr und nickte mit dem müden Kopf in Richtung Küche. Ich ließ verlauten, daß Tante Koula am heutigen Sonntag gewiß ein Einsehen haben und ihr morgen oder allerspätestens am Dienstag wieder etwas zu essen bringen werde. Die Alte leckte sich mit der trockenen Zunge die aufgesprungenen Lippen und fragte mich, was draußen gekocht werde. Ich zählte ihr das Menü auf, und ihre Augen wurden weit und glasig wie die der Fischchen auf dem Rost im Hof.
picture description "Soviel Essen? Erst läßt sie mich verhungern, und dann möchte sie mich mästen, daß mich der Schlag trifft!" Die alte Frau bekreuzigte sich und brabbelte ein Gebet, das wirkungsvoll verbarg, wie sehr ihr der Mund wässrig wurde. Ich erzählte ihr, daß ihr Neffe zum Mittagessen eingeladen sei. Sie nickte bedächtig, verstand jetzt das aufwendige Menü.
"Petros aus Potamos - ein Schwein, wenn jemals eines gelebt hat", brummte sie verbittert. Offenbar hatte sie Angst, seine Anwesenheit schmälere die Aussicht, daß auch sie etwas aufgetischt bekam.
"Ist er denn dick?", fragte ich.
"Khondros!", knurrte sie. "Dick? Wenn man ihm einen Docht in den Wanst steckt, könnte der monatelang brennen! An Ostern mieten die Klöster extra einen Trecker, damit der ihn den Berg hochzerrt. Letztes Jahr wäre um ein Haar die Fähre nach Neapolis gekentert, als er an Bord gegangen ist. Dick? Nein, Petros ist nicht dick. Er ist einfach eine Qualle, die es an Land verschlagen hat."
Als ich in die Küche zurückkam, stand Nikos mit einem großen Teller in der Hand vor mir, auf dem Dutzende von gebratenen Seebarben lagen. Er fragte mich, weshalb Sophia so lauthals losgewettert hatte.
"Sie hat Angst, daß Petros das ganze Essen wegputzt, dazu noch den Tisch, dann die Katze und zuletzt auch uns."
"Mir soll's recht sein, sofern er nur mit ihr anfängt", kommentierte Tante Koula freundlich und riß dabei die Augen auf, um die hartnäckigen Knoblauchschwaden loszuwerden. Nikos wiederum besah sich ernst den Fisch, setzte dann den Teller ab und schob die Hälfte der Barben auf einen anderen Teller, den er im Geschirrschrank versteckte.


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